Beate Klarsfeld, Erinnerungen

„Ein einmaliges Lehrstück fürs Leben“

Von Martin Sölle

Der Sohn Arno Klarsfeld schreibt zu Beginn: „Diese Memoiren sind ein Abenteuerbuch, ein Kriminalroman, die Schilderung einer juristischen Schlacht, ein Kurs in staatsbürgerlicher Bildung, ein Leitfaden für Kämpfer, ein historisches Epos, eine prickelnde und dauerhafte Liebesgeschichte, ein einmaliges Lehrstück fürs Leben.“  Das Buch ist  auch die Geschichte, die mit der Ohrfeige für den damaligen Bundeskanzler Kiesinger begann und mit dem Bundesverdienst-kreuz Erster Klasse in der deutschen Botschaft in Paris endet.  Die Botschaft in Paris war ein Ort, wo Gestapo und SS die Erfassung und den Abtransport der französischen Juden  organisierten, wo Täter wie der vorherige Kölner Gestapo-Chef Lischka ihre verbrecherische Arbeit erledigten. Das Ende macht damit deutlich, dass der Anfang nicht vergebens war. Die Klarsfelds haben in jahrzehntelanger Arbeit die Aufspürung von NS-Täter wie Brunner, Barbie und Waldheim betrieben und dabei viel erreicht. Für Köln war besonders bedeutsam die Aufspürung  von  Kurt Lischka, dem vormaligen der Gestapo-Chef in Köln. Spannend ist die Aufspürung von Lischka in Köln-Holweide im Jahr 1971 und der Versuch ihn zunächst mit den Dokumenten zu konfrontieren und dann später zu entführen, um ihn in Frankreich vor Gericht zu bringen. Ein Versuch, der dazu führt, dass Beate in die JVA Ossendorf kommt. Dennoch gelingt es dann schließlich 1979, das Verfahren gegen Lischka in Köln zu eröffnen: ein Verfahren, in dem die Angeklagten von Anfang bis Ende teilnehmen mussten und das mit einer Verurteilung endete. Dies wurde im Jahr 2006 im Kölner NS-DOK in einer Sonderausstellung gezeigt und gewürdigt.

Dass die Arbeit von Beate und Serge Klarsfeld nicht nur aus spektakulären Aktionen besteht, sondern mühevolle historische Forschungsarbeit in Archiven voraussetzt, macht den Umfang und den dokumentarischen Teil des Buches aus. Es liest sich dadurch tatsächlich fast wie ein Krimi, besonders im Zusammenhang mit der Aufspürung von Klaus Barbie in Bolivien.

Wie kam es dazu? Beate, 1939 in Berlin geboren, kam als Au-pair-Mädchen in den 60er Jahren nach Paris und lernte Serge kennen, der 1935 in Bukarest geboren, Verfolgung erlitten hatte: Sein Vater wurde deportiert und in Auschwitz ermordet. Daraus und aus einem starken Empfinden für Gerechtigkeit speist sich die unermüdliche Kraft zu forschen und zu veröffentlichen. Sie sind im Kontext der 68-er Zeit zu sehen, was auch in einigen im Buch geschilderten Begegnungen deutlich wird. Aber andererseits sind sie nie an eine bestimmte politische Richtung gebunden, sondern haben konsequent ihre selbst gestellte Aufgabe verfolgt.  Dies ist zwar eine stellenweise konspirative Tätigkeit, die aber immer im Bestreben  war, alles zu veröffentlichen und das Bewusstsein gegen das Vergessen hochzuhalten.

Das Buch ist von beiden abwechselnd geschrieben, ist sehr genau gegliedert und mit einem Personenregister versehen: es kann fast wie ein Nachschlagewerk benutzt werden. Dies rechtfertigt den Umfang des Buches. Es ist deshalb mehr als ein Erinnerungsbuch, es geht nicht, wie Serge schreibt, um persönliche Gemüts-verfassung, sondern darum etwas weiterzugeben und die Erinnerung wach zu halten. Das ist ihnen vortrefflich gelungen.

Beate Klarsfeld, Serge Klarsfeld

Erinnerungen

Übersetzt von Helmut Reuter, Anna Schade, Andrea Stephani

624 Seiten, mit zahlreichen Fotos. Gebunden mit Schutzumschlag, 28,00 €

ISBN: 978-3-492-05707-3

Piper Verlag